Erst Sheriff‘s Office, dann S-Bahn

Artikel: Erst Sheriff‘s Office, dann S-Bahn

Andrea McTaggart hat in ihrem Leben schon viel gesehen und erlebt. Nach zehn Jahren in den USA und ihrer Zeit als Deputy Sheriff in Alabama kehrte sie 2016 mit ihrer Familie nach Deutschland zurück. Seither ist sie beruflich bei der S-Bahn Stuttgart zu Hause. Sie weiß, wie wichtig Frauen für die DB sind. Die 40-jährige will nachfolgenden Töchtergenerationen zeigen, dass ihnen die Welt offensteht.

Männerberuf, Frauenberuf – die Klischees von einst passen nicht mehr in die heutige Arbeitswelt. Längst verstaubt, gibt es sie aber immer noch. Und so ist Andrea McTaggart eine von vielen Frauen bei der DB, die Vorbehalten entgegentritt, ihren eigenen Weg geht und anderen Frauen zeigt, dass sie das auch können.

Die 40-jährige aus Ostfildern hat einen ungewöhnlichen Lebensweg hinter sich. 2006 wurde ihr Mann als Soldat der Army in die USA zurückversetzt. Also packte die junge Familie mit dem damals wenige Monate alten Sohn ihre sieben Sachen und siedelte nach Columbus im Bundesstaat Georgia über.

In einem Jahr zum Deputy Sheriff

„Ein subtropisches Paradies“, schwärmt McTaggart. Beim nachbarschaftlichen Barbecue erfuhr sie, dass im nahegelegenen Russell County in Alabama Polizist:innen gesucht wurden. Die junge Mutter machte das nicht nur hellhörig, sie machte Nägel mit Köpfen und war nach einem knappen Jahr Ausbildung Deputy Sheriff.

Andrea McTaggart fuhr Streife, war Aufsicht im Bezirksgefängnis. Sie sah viel, erlebte noch mehr – vor allem von menschlichen Abgründen. Fast sechs Jahre war sie in Uniform unterwegs. Doch nachdem ihr Mann nach 21 Dienstjahren verrentet wurde, war für die Familie klar: es geht zurück nach Deutschland. Zumal die jährlichen fünf Urlaubs- und Krankheitstage als Deputy Sheriff alles andere als üppig bemessen waren. Andrea McTaggart kam mit Ehemann und zwischenzeitlich zwei Kindern im November 2016 wieder in Deutschland an. „Und für die Kleinen war das eine fremde Welt inklusive fremder Sprache.“

Alles musste nach der Ankunft neu organisiert werden. Wohnung, Schule, Job. „Die S-Bahn Stuttgart suchte damals Fahrpersonal“, erinnert sich McTaggart. Eine reizvolle Aufgabe und neue Herausforderung, die sie mit dem Quereinstieg inklusive der Ausbildung zur Triebfahrzeugführerin  geschafft hat.

Sonnenaufgänge und Schusterbähnle

Neben den neuen Eindrücken bei der S-Bahn machte der neue Job vor allem eines: Spaß. „Ich habe das richtig genossen“, sagt sie. „In diesem Beruf sieht man die schönsten Sonnenaufgänge oder den Mond über der Schwäbischen Alb.“  Eine ihrer Lieblingsstrecken: das so genannte Schusterbähnle zwischen Kornwestheim und Untertürkheim.

Seit August 2021 ist sie die erste und einzige Frau in ihrem neuen Job als Leiterin Fahrpersonal bei der S-Bahn Stuttgart. Rund 400 Triebfahrzeugführer:innen betreut sie zusammen mit ihren beiden Kollegen. Wobei Andrea McTaggarts Team 120 Kolleg:innen umfasst. „Von den 120 Triebfahrzeugführer:innen sind sechs weiblich“, sagt Andrea McTaggart. Das erscheine zunächst wenig, doch eine Entwicklung hin zu mehr Frauen sei erkennbar. Ein positives Signal, das auch für die Deutsche Bahn als Arbeitgeberin spreche. „Denn bei der DB gibt es eine Diversität, die auch gelebt wird. Hier wird jeder mit offenen Armen empfangen und aufgenommen. Es ist fast wie Familie.“

Sich mehr zutrauen und eigene Wege gehen

Frauen rät Andrea McTaggart, sich mehr zuzutrauen und sich nicht einreden zu lassen, etwas nicht zu können. „Sie sollten entscheidende Schritte wagen und ihren eigenen Weg gehen.“  Jungs hätten es zwar auch nicht leicht, „es ist aber wichtig, an den Punkt zu kommen, an dem jeder die gleichen Startbedingungen hat – egal ob Mädchen oder Junge, Frau oder Mann.“

Was sie an Ihrem Job liebt? „Alles! Es gibt nichts, was ich nicht liebe. Ich liebe es, ein tolles Team zu führen. Ich liebe es, dass einem Vertrauen entgegengebracht wird. Ich liebe es, dass es bei der DB auch als kleines Rädchen nie ‚ein Weiter wie bisher‘ gibt, sondern dass sich alles weiterentwickelt. Und dass es auch in 100 Jahren noch eine Bahn in Deutschland gibt – und dass ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, dass der Klimaschaden etwas kleiner wird.“

Ihr Anliegen ist es, den Mädchen zu zeigen, dass sie auch Züge fahren können, dass ihnen die Welt offensteht: „Wir können ihnen jetzt die Türen noch weiter öffnen, damit es nicht mehr heißt: Was? Du willst in einen Männerberuf? Außerdem ist es schön, auch mehr Kolleginnen zu haben, mit denen man sich unterhalten kann – die Themen sind einfach andere.“