Artikel: Frauen, Leben, Freiheit: Die DB solidarisiert sich mit den Protesten im Iran
Am 6. März traf sich DB-Chef Richard Lutz mit den iranischen Kolleginnen Leila Moradnouri und Sonia Alaghehband am Berliner Hauptbahnhof, um mit ihnen gemeinsam ein Zeichen der Solidarität mit den Protesten im Iran zu setzen. Im Interview sprechen Leilia Moradnouri und Sonia Alaghehband über die aktuelle Situation im Iran und über ihre Erwartungen an das Treffen mit dem DB-Chef.
Rund um den Weltfrauentag am 8. März möchte die Deutsche Bahn den Slogan der Protestbewegung „Frauen, Leben, Freiheit" am Hauptbahnhof und an weiteren Berliner Bahnhöfen sichtbar machen — dort, wo sich jeden Tag hunderttausende Menschen begegnen.
Auslöser der Protestbewegung im Iran war der durch Polizeigewalt herbeigeführte Tod von Jina Mahsa Amini in Teheran am 16. September. Seither gehen die Menschen im Iran trotz großer Gefahren auf die Straße und protestieren für die Rechte der Frauen und gegen das menschenverachtende Regime. Leilia Moradnouri und Sonia Alaghehband sprachen vorab zur aktuellen Situation im Iran und darüber, welche Erwartungen sie an das Treffen mit dem DB-Chef haben.
Können Sie kurz Ihren persönlichen Hintergrund schildern? Seit wann sind Sie in Deutschland und bei der Deutschen Bahn, welchen Beruf üben Sie hier aus?
Leila Moradnouri: Ich bin seit 20 Jahren in Deutschland und seit 2014 bin ich bei der DB als Zugbegleiterin. Ich bin gebürtige Perserin. Durch mein Jura-Studium an der Universität in Teheran habe ich festgestellt, dass die Rechtsordnung des Mullah-Regimes sich nicht mit meinem Rechtsbewusstsein vereinbaren lässt, deshalb habe ich mein Land verlassen.
Sonia Alaghehband: Ich bin seit 2016 in Deutschland und 2021 habe ich meine Ausbildung zur Triebfahrzeugführerin bei der S-Bahn Stuttgart begonnen. Ich habe sie gerade erfolgreich abgeschlossen, lerne jetzt noch die Streckenkenntnis und ab 7. März fange ich dann richtig als Tf an. Für mich war die Entscheidung, hier einen technischen Beruf zu erlernen ganz bewusst, denn im Iran ist es verboten, dass Frauen Lokführerinnen sind.
Wie erleben Sie die Protestbewegung im Iran? Haben Sie den Eindruck, dass die Proteste nachgelassen haben oder sind sie unverändert stark?
Leila Moradnouri: Ich denke nicht, dass die Proteste seit September 2022 nachgelassen haben, sie zeigen sich allerdings anders. Viele Menschen sind in der Zwischenzeit getötet oder inhaftiert worden, bei vielen kennen wir nicht das genaue Schicksal. Jeden Tag finden nach wie vor Meinungsäußerungen gegen das Regime statt, sei es auch nur dadurch, dass diese Proteste an Häuserwände geschrieben werden, was auch schon enorm gefährlich ist.
Menschen stehen an ihren Fenstern und schreien ihren Protest heraus oder sie lassen das Lied „Baraye“ laufen, das zur Hymne der Freiheitsbewegung geworden ist.
Sonia Alaghehband: Ich denke auch, dass sich die Art der Proteste verändert hat. Vor dem Hintergrund, dass viele noch in den Gefängnissen sind und dass bereits Menschen hingerichtet wurden, haben die Großdemonstrationen nachgelassen. Allerdings lässt sich die Bevölkerung nicht einschüchtern. Die Vernetzung der Menschen im Iran und der Iraner im Ausland ist viel stärker geworden. Iraner im Ausland setzen beispielsweise ihre Kraft daran, dass Europa und die USA die Zusammenarbeit mit dem iranischen Regime beenden oder zumindest einschränken.
Wie kommen die Solidaritätsbekundungen aus dem Ausland im Iran an?
Leila Moradnouri: Jede Art von Unterstützung hilft, das ist ganz deutlich. Diese Angst vor dem Regime ist viel größer, als wir es uns vorstellen können. Deshalb ist es auch unglaublich mutig, dass die Menschen dennoch auf die Straße gehen. Und wenn sie merken, dass sie nicht allein sind, dann ist hilft das sehr. Die Bedrohung des Regimes und die Repressalien haben sich verändert. Zum Beispiel hatte eine Ingenieurin letztens als Protest öffentlich ihr Kopftuch auf den Boden geschmissen. Einige Tage später tauchte diese Frau jetzt in den sozialen Medien auf, mit Kopftuch, und sie erklärte, dass sie sich dafür entschuldige und dass es ein Fehler gewesen sei, das Kopftuch abzunehmen. Das zeigt, wie viel Druck das Regime auf die Menschen ausübt und wie es sie erpresst. Wenn diese Frau nicht öffentlich widerrufen hätte, hätten sie und auch ihre Familie extrem scharfe Konsequenzen tragen müssen.
Wie informieren Sie sich über die Situation im Iran?
Leila Moradnouri: Durch verschiedene Medien, die Sie auch kennen, WhatsApp, Facebook, diverse Gruppen, aber auch „Iran International“, das ist ein Sender mit Sitz in Amerika, der noch relativ transparent auch über die Proteste berichtet. Aber natürlich komme ich auch durch meine privaten Kontakte an viele Informationen.
Sonia Alaghehband: Das Internet im Iran ist derzeit vom Regime zensiert und eingeschränkt, viele wurden ja auch festgenommen, weil sie Beträge über die Proteste gepostet haben. Viele mutige Menschen berichten dennoch weiter über die Lage im Iran. Aber es ist bei mir wie bei Frau Moradnouri, das meiste bekomme ich über Freunde, Familie und Bekannte mit.
Sprechen Sie auch mit Kolleginnen und Kollegen bei der DB über die Situation im Iran?
Leila Moradnouri: Ja, ich spreche auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen darüber und durch diese Gespräche bekomme ich ganz viel Unterstützung, durch die ich neuen Mut fasse. Meine Kollegen sagen oft, was Du erzählst, ist für uns unvorstellbar und wir wollen etwas tun und unterstützen. Dabei sind sie selbst sehr gut informiert. Also, ich merke, das Thema beschäftigt auch meine Kollegen sehr.
Sonia Alaghehband: Bei der S-Bahn Stuttgart habe ich auch einige Kollegen die aus dem Iran stammen, mit denen spreche ich natürlich auch über das Thema.
Ich bin auch sehr froh darüber, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen über die Proteste im Iran informiert sind. Oft kommen sie auf mich zu, wenn sie erfahren, dass ich aus dem Iran bin. Ich bin sehr dankbar über diese Unterstützung.
Wie viel Mut braucht es als Frau auch in Deutschland, das Thema der Frauenrechte im Iran anzusprechen?
Leila Moradnouri: Für mich ist es selbstverständlich, für die Gerechtigkeit und die Gleichheit der Menschen in meiner Heimat auch hier in Deutschland den Mund aufzumachen. Ich spüre diese Verantwortung, besonders, weil ich hier in Freiheit lebe. Natürlich ist es auch hier für mich und meine Familie gefährlich, das zu tun, aber ich mache es trotzdem. Das Regime ist für die ganze Welt gefährlich, auch jenseits der Frauenrechte. Ich denke nur an die Atomwaffenproblematik, die immer gefährlicher wird.
Sind Sie als Iranerinnen und Iraner vernetzt bei der Deutschen Bahn?
Sonia Alaghehband: Offiziell vernetzt sind wir noch nicht, aber ich finde es sehr schön, wenn wir immer mehr Kolleginnen und Kollegen aus dem Iran finden können, die sich uns anschließen. Denn je mehr Menschen sich mit dem Thema beschäftigen, desto mehr Kraft geht davon aus und die Chancen steigen, tatsächlich auch etwas zu bewegen.
Leila Moradnouri: Gleichberechtigung geht uns alle etwas an. Deshalb würden wir uns sehr darüber freuen, wenn Kolleginnen und Kollegen selbst auch zu der Veranstaltung am 6. März mit Richard Lutz kommen würden und damit zeigen, dass sie sich mit den Protesten im Iran solidarisieren. Die meisten Iranerinnen und Iraner sind säkularisiert und nicht religiös fanatisch wie das Regime. Die meisten wollen tatsächlich „Frauen! Leben! Freiheit!“
Vielen Dank für das Gespräch!