encore | DB: „Zu gut für die Tonne“ gilt auch für alte Fahrzeugbatterien!

Artikel: encore | DB: „Zu gut für die Tonne“ gilt auch für alte Fahrzeugbatterien!

Innovationen auf den Weg bringen, um die DB noch klimafreundlicher zu machen und um Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen: das hat sich auch das Team des Corporate Startup encore | DB auf die Fahnen geschrieben. Stark vereinfacht gesagt geht es dort darum, das Leben von gebrauchten Traktionsbatterien aus E-Fahrzeugen zu verlängern — bei der DB. Doch wie geht das konkret? Die Projektleiterin von encore | DB, Ilma Bojadzic, und der Projektleiter Infrastrukturgrundsätze und Anlagenmanagement bei DB Fernverkehr, Matthias Hautkappe, geben Einblicke in das Thema Batteriespeicher.

Frau Bojadzic, was ist das Ziel des Projekts encore | DB – und wie kam es zu Idee und Umsetzung?

Ilma Bojadzic: Unser Ziel ist es die Kreislaufwirtschaft zu fördern und mit Second-Life-Batteriespeichern die Energiewende innerhalb und außerhalb der DB voranzutreiben. Lithium-Ionen-Batterien gelten als Schlüsseltechnologie in der Elektromobilität. Nach acht bis zehn Jahren sinkt die Leistung der Batterie aber oftmals auf unter 80 Prozent und manche Hersteller bieten dann einen Tausch der gebrauchten gegen eine neue Batterie an. Wir nehmen ihnen diese gebrauchten Batterien ab und stellen daraus modulare Second-Life-Batteriespeicher her.

Die Idee, gebrauchten Batterien ein zweites Leben zu geben, ist 2019 während meines Digital Traineeprogramms entstanden. Im DB-internen Gründungsprogramm haben wir die Idee zu einem Geschäftsmodell weiterentwickelt. Im September 2021 haben wir bei der DB Bahnbau Gruppe eine Heimat gefunden.

Können grundsätzlich alle gebrauchten Traktionsbatterien wiederverwendet werden?

Bojadzic: Wir wollen alle gebrauchten Batterien aus der Elektromobilität wiederverwenden. Sobald die Batterien bei uns ankommen, werden sie auseinandergebaut. Vereinfacht gesagt besteht eine Traktionsbatterie eines E-Fahrzeugs aus mehreren Batteriemodulen. Diese Batteriemodule werden einer umfangreichen Sicherheits- und Qualitätsanalyse unterzogen. Batteriemodule mit ausreichender Restkapazität werden für die Fertigung von Second-Life-Batteriespeichersystemen wiederverwendet. Schwache Batteriemodule oder solche, die aus einem Unfallfahrzeug kommen, werden aussortiert und fachgerecht recycelt.

Wo können die Batteriespeicher eigentlich eingesetzt werden?

Bojadzic: Die Batteriespeicher sind an Standorten sinnvoll, die mehr erneuerbaren Strom erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Somit sind sie fast überall dort geeignet, wo zum Beispiel eine Photovoltaik-Anlage vorhanden und der Strombedarf geringer als die mittels Photovoltaik erzeugte Energie ist, beispielsweise bei Instandhaltungswerken und Bahnhöfen. Zudem können die Batteriespeicher dort zur Kappung von Lastspitzen oder als Notstromaggregat eingesetzt werden. Die Einsatzzeit hängt dabei ganz von dem Nutzungsverhalten der Batterie im ersten Leben und dem Anwendungsfall im zweiten Leben ab. Wir erwarten, dass Batteriemodule, die für eine anspruchsvolle Reduzierung von Lastspitzen genutzt werden, noch etwa fünf bis sieben Jahre im zweiten Leben haben. Bei Batteriemodulen, die den Eigenverbrauch optimieren, rechnen wir mit zehn bis 15 weiteren Jahren im Batteriespeicher.

Unter anderem mit DB Fernverkehr gibt es eine enge Zusammenarbeit. Wie kam es dazu?

Matthias Hautkappe: Wir haben einen vorübergehenden Stromausfall in Werk München Ende 2019 genutzt, um im Nachgang aufzuarbeiten, wie wir solche Situationen künftig möglichst vermeiden. So kam auch der Gedanke an eine Stromversorgung durch eine riesige „Batterie“ ins Spiel. Die konkreten Spezifikationen und Erfordernisse waren uns zunächst noch nicht in all ihren Dimensionen klar. Konkret wurde es dann durch ein Dialogforum von DB Energie, bei dem encore | DB das Thema mit den aufgearbeiteten Batterien aus E-Fahrzeugen vorgestellt hat.

War da sofort klar: das könnte auch für DB Fernverkehr interessant sein?

Hautkappe: Nicht sofort, wir mussten zuerst wissen, was so ein System leisten kann. Wir hatten nun aber mit dem Startup einen konkreten Ansprechpartner innerhalb der DB, der dieses Thema aufgegriffen hat. Und so hat sich im Laufe der Zeit auf der Suche nach klimaneutraler Versorgung, auf der Suche nach alternativer Energieerzeugung und der Notwendigkeit, Energieüberschüsse zu speichern und bei Bedarf wieder zu verbrauchen, der Kontakt mit dem Team des Projekts vertieft.

Bei DB Fernverkehr gibt es das Programm „Grüne Werke“ — da passen Batteriespeicher gut hinein?

Hautkappe: „Grüne Werke“ kümmert sich um die Recherche nach Ideen für eine klimaneutrale Versorgung der Werke als auch für alle Emissionen und Immissionen eines Werkes. Vieles ist auf dem Weg — vieles müssen wir aber noch konsequenter umsetzen.

Welchen Beitrag leistet encore | DB, um die DB noch nachhaltiger zu machen?

Bojadzic: Um einmal eine konkrete Zahl zu nennen: Durch die Nutzung von gebrauchten Batteriemodulen können wir bei der Herstellung eines 65 kWh Speichers sechs Tonnen CO2e-Emissionen einsparen im Vergleich zu einem Speicher mit neuen Batteriemodulen. Das entspricht etwa 29.400 km mit einem Mittelklasse-Benziner.

Herr Hautkappe, ein ganzes Werk via Batteriespeicher mit Energie zu versorgen: können Sie sich das vorstellen?

Hautkappe: Für uns ist es tatsächlich im Moment noch etwas jenseits der Vorstellungskraft, ob wir ein ganzes Werk mit einer Batterie betreiben können. Was aber viel wichtiger ist: wir müssen Erfahrungen sammeln, und das geht nur, indem man Projekte in die Tat umsetzt und auswertet. Momentan errichten wir im Werk Leipzig eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Die Anlage wird bei guter Sonneneinstrahlung einen Überschuss an Strom erzeugen, den wir mit dem Batteriespeichersystem von encore | DB sammeln wollen und dann nachts, wenn alles arbeitet und der Stromverbrauch seine Spitze erreicht, wieder in die Stromversorgung einspeisen. So können wir den tagsüber selbsterzeugten Strom auch noch nachts verwenden.

Wann soll der Vertrieb der Batteriespeichersysteme starten?

Bojadzic: Der erste funktionierende Prototyp ist im Juni am EUREF Campus in Berlin installiert worden und fungiert dort als Teil der Micro Smart Grid von inno2grid ist (ein Joint Venture von DB E.C.O. und Schneider Electric). Diesen Prototypen haben wir weiterentwickelt und im August den Zertifizierungsprozess gestartet. Unser Plan ist es, Ende 2022 einen zertifizierten und serienreifen Speicher zu haben, um Anfang 2023 mit dem Vertrieb zu starten.