Artikel: Für eine starke Schiene zwischen Frankfurt/Main und Mannheim: Die Generalsanierung der Riedbahn
Sie ist einer der am stärksten genutzten Eisenbahn-Korridore in Deutschland: Die Riedbahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim. Pro Tag verkehren hier bereits heute mehr als 300 Züge im Regional-, Fern- und Güterverkehr. Doch die Infrastruktur ist überaltert und störanfällig. Deshalb durchläuft die Strecke von Mitte Juli bis Mitte Dezember 2024 eine Generalsanierung. Reisende und Güter erreichen trotzdem ihr Ziel: Fern- und Güterzüge fahren über Umleitungsstrecken. Der Regionalverkehr wird durch 150 neue, hochmoderne Überland- und Gelenkbusse ersetzt.
Die Riedbahn ist das Pilotprojekt der DB auf dem Weg zum Hochleistungsnetz. Das Ziel: Mehr Pünktlichkeit, attraktive Bahnhöfe und eine leistungsfähige Infrastruktur für den Personen- und Güterverkehr. Denn Verspätungen, die auf der Riedbahn entstehen, haben Auswirkungen auf den gesamten Bahnverkehr in Deutschland. Jeder siebte Zug im DB-Fernverkehr fährt über die Gleise zwischen Frankfurt/Main und Mannheim, bis zu 16.000 Fahrgäste pro Tag nutzen die Riedbahn im Regionalverkehr. Durch ihre Lage im Herzen Europas ist die Strecke auch für den Güterverkehr von großer Bedeutung. Von den elf transeuropäischen Güterverkehrskorridoren sind drei mit der Riedbahn verbunden, darunter mit dem Korridor Rhein-Alpen auch die wichtigste Güterverkehrsachse in Europa. Große Industriebetriebe und -kunden in der Region, aber auch europaweit, sind auf zuverlässige Lieferketten auf dieser Strecke angewiesen.
Neuer Ansatz ermöglicht vierfaches Bauvolumen
In enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sowie der gesamten Bahnbranche beginnt die DB deshalb auf der Riedbahn mit der Generalsanierung des hochbelasteten Schienennetzes. Durch den neuen Ansatz der gebündelten und gewerkeübergreifenden Erneuerung während einer mehrmonatigen Vollsperrung der Strecke sind enorme Volumina möglich: 117 Kilometer Gleise, 152 Weichen aus dem DB-eigenen Weichenwerk in Witten, der Tausch von 140 Kilometer Fahrdraht, mehr als 15 Kilometer Lärmschutzwände, 230.000 Schwellen und 380.000 Tonnen Schotter sowie 20 Bahnhöfe packt die DB während der Bauphase an. Das ist viermal so viel wie mit dem bisherigen Sanierungsverfahren möglich war, bei dem Strecken immer nur kurzfristig für die Instandhaltung gesperrt wurden.
Bildmaterial zur Generalsanierung finden Sie in der DB-Mediathek.
O-Ton: Was ist das Besondere an der Generalsanierung der Riedbahn?
„Das Besondere an der Generalsanierung der Riedbahn ist, dass alles kompakt in einem Rutsch mit einer Vollsperrung gemacht wird. Die Strecke Frankfurt/Main - Mannheim ist eine der wichtigsten Strecken im deutschen Schienennetz und sie ist besonders alt und störanfällig. Deswegen haben wir uns vorgenommen, die Strecke fünf Monate zu sperren und wirklich alles komplett neu zu machen, was man in der Zeit neu machen kann. Komplett neue Gleise, Oberleitungen, neue Stellwerke, die Bahnübergänge werden neu gemacht, also alles, was störanfällig ist. Und wir modernisieren auch die 20 Bahnhöfe, sodass wir hinterher fünf bis acht Jahre Baufreiheit auf dieser Strecke haben. Wir bauen in der Zeit etwa viermal mehr als wir unter normalen Umständen bauen würden, damit eben hinterher auf der Strecke wirklich Ruhe ist."
O-Ton: Wie gut ist die DB auf die Riedbahn-Sanierung vorbereitet?
„Nach einer intensiven Vorbereitungsphase sind wir jetzt startklar. Wir haben ein starkes Team mit bis zu zweitausend Mitarbeitenden der Deutschen Bahn und auch der beteiligten Bauunternehmen, die in den kommenden fünf Monaten ein enormes Baupensum bewältigen werden. Allein mit dem Bauablaufplan könnte man mühelos eine Wohnung tapezieren, so groß ist er. Das zeigt die Komplexität dieses Vorhabens, aber auch unsere Sorgfalt in der Vorbereitung. Wir hatten ja im Januar eine erfolgreiche Generalprobe und sie hat bewiesen, dass das Projekt umsetzbar ist. Gleichzeitig haben wir unsere Planungen dort optimiert, wo es erforderlich ist, zum Beispiel bei der Lage der Haltestellen für den Ersatzverkehr.“
Die Generalsanierung umfasst auch die sogenannte Leit- und Sicherungstechnik mit insgesamt 1.200 Elementen. Neue elektronische Stellwerke (ESTW) und Kabelanlagen lösen die alte Stellwerkstechnik ab. Die neuen ESTW liegen in Walldorf, Gernsheim und Mannheim-Waldhof. Weitere Modulgebäude entstehen in Groß-Gerau-Dornberg, Riedstadt-Goddelau, Biblis und Lampertheim. Die Riedbahn ist damit für den digitalen Bahnbetrieb der Zukunft ausgerüstet. Zudem kommt mit dem modernen Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS) ein in Europa einheitliches Sicherungssystem zum Einsatz. Während der Generalsanierung baut die DB hierfür allein 4.000 Balisen entlang der Strecke ein.
Infografik: Für eine bessere Bahn und pünktlichere Züge
Die Bahnhöfe entlang der Riedbahn baut die DB sogenannte zukunftsfähige Bahnhöfe aus. Das bedeutet: Moderne Reisenden-Information und neue Wegeleitsysteme, freundlich und hell gestaltete Unterführungen, neue Beleuchtung und modernisierte Bahnsteigdächer. Außerdem erhalten die Stationen zum Teil neue Rampen und Aufzüge für den barrierefreien Zugang. Bei der Gestaltung der Bahnhöfe arbeitet die DB an der Riedbahn mit wiederkehrenden Farben und Motiven, die eine Verbindung zwischen den Stationen schaffen. Bessere Parkmöglichkeiten für Fahrräder erleichtern den Umstieg auf die klimafreundliche Bahn.
Die Generalsanierung der Riedbahn ist ein Großprojekt im Eiltempo, bei dem die DB mit starken Partnerunternehmen aus der Bauindustrie eng zusammenarbeitet. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 1,3 Milliarden Euro.
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Mobil auf Schiene und Straße:
Das Verkehrskonzept für die GeneralsanierungEin Projekt dieser Größenordnung stellt nicht nur die DB, sondern auch Reisende und Güterverkehrsunternehmen vor besondere Herausforderungen. Menschen und Güter sollen während der Generalsanierung zuverlässig und gut ihr Ziel erreichen. Gemeinsam mit den im Nahverkehr zuständigen Aufgabenträgern und Eisenbahnverkehrsunternehmen hat die DB ein umfassendes Verkehrskonzept entwickelt. Hierzu wurden insbesondere auf den stark durch Umleitungen der Fern- und Güterverkehr genutzten Strecken Mainz – Worms – Mannheim/Ludwigshafen sowie Frankfurt – Darmstadt – Heidelberg neue Fahrpläne erstellt. Den Regionalverkehr auf der Riedbahn ersetzen 150 moderne Überland- und Gelenkbusse mit bis zu 1.000 Fahrten pro Tag im 5- bis 15-Minuten-Takt. Fahrgäste können wählen, ob sie Busse nutzen, die an allen üblichen Bahnhalten stoppen oder mit Express-Bussen fahren, die im Halbstundentakt schnell zwischen Riedstadt-Goddelau und Frankfurt Hauptbahnhof unterwegs sind. Rund 400 Busfahrer:innen sind dafür im Einsatz.
O-Ton: Wie wird der Ersatzverkehr funktionieren?
„Wir fahren einen Ersatzverkehr, der neue Maßstäbe setzt und unser Ziel ist es, dass die Menschen nichts aufs Auto umsteigen, sondern dem klimafreundlichen ÖPNV treu bleiben. Dafür bringen wir eine Flotte mit 150 neuen und modernen Bussen auf die Straße. Insgesamt bieten wir pro Tag 1.000 Fahrten an und wir bereiten uns intensiv darauf vor, damit der Ersatzverkehr reibungslos läuft. Wir haben einen starkes, internationales Fahrerteam aufgestellt. Unsere rund 400 Busfahrerinnen und Busfahrer kommen aus Deutschland und aus ganz Europa und wir sie intensiv geschult. Sie sind im Vorfeld alle Strecken abgefahren. Im Bus haben die Fahrerinnen und Fahrer ein Tablet mit moderner Navigationssoftware und außerdem haben sie auch Deutschkurse besucht, da wo es nötig war, damit sie sich eben gut mit unseren Fahrgästen verständigen können.“
Die purpurfarbenen Fahrzeuge sind mit digitaler Reisenden-Informationen, WLAN sowie großen Gepäckfächern und zum Teil auch mit Toiletten ausgestattet. Um auf den benachbarten Strecken Platz für umgeleitete Züge zu machen, müssen teilweise auch zwischen Frankfurt/Main -Darmstadt- Heidelberg (Main-Neckar-Bahn) sowie auf der Strecke Mainz–Worms–Mannheim/Ludwigshafen (Ludwigsbahn) Regionalzüge durch Busse ersetzt und Takte ausgedünnt werden. Um dies auszugleichen, kommen auf der Main-Neckar-Bahn und der Worms-Strecke während der Generalsanierung Regionalexpresszüge mit bis zu 800 Sitzplätzen je Zugfahrt zum Einsatz.
Im Fernverkehr wird ein Großteil der Fahrgäste die Sperrung kaum bemerken: Die Züge werden über andere Strecken umgeleitet, die die DB seit Anfang des Jahres vorsorglich für die zusätzlichen Belastungen instandgesetzt hat. Reisende sollten im Fernverkehr rund 30 Minuten mehr Fahrzeit einplanen. Für die direkte Verbindung zwischen Mannheim und Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt/Main verkehren zusätzlich die sogenannten IC-Busse. Alle Fahrpläne sind in die elektronische Fahrplanauskunft auf www.bahn.de sowie in der App DB Navigator eingepflegt, so dass sich Reisende rechtzeitig über ihre jeweiligen Verbindungen informieren können.
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Güterzüge fahren ebenfalls auf Umleitungsstrecken, so dass die Lieferketten zuverlässig und stabil bleiben. Mit allen elf Unternehmen, die über einen Gleisanschluss zur Riedbahn beliefert werden, hat die DB individuelle Lösungen erarbeitet. Unternehmen, die auf eine Belieferung über ihren Gleisanschluss angewiesen sind, können trotz der Bauarbeiten zu gewissen Zeitfenstern (in der Regel nachts) die notwendige Anzahl von Zügen über die Riedbahn in ihr Unternehmen fahren. Darüber hinaus hält die DB auch einen Lok-Pool für Gütertransporte über nicht elektrifizierte Umleitungsstrecken bereit.
Mehr Pünktlichkeit und weniger Baustellen in der Zukunft
Nach Abschluss der Arbeiten profitieren Reisende und Güterverkehrsunternehmen von attraktiven, barrierefreien Bahnhöfen und einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur, die für den digitalen Bahnbetrieb der Zukunft ausgerüstet ist. Züge können pünktlicher fahren, denn durch die Erneuerung aller überalterten Anlagen können infrastrukturbedingte Störungen um mehr als 80 Prozent reduziert werden. Auch Verspätungen lassen sich besser vermeiden – durch neue, zusätzliche Überholmöglichkeiten für Züge. Außerdem schafft die Generalsanierung der Riedbahn mehr Planungssicherheit für alle: Mindestens fünf Jahre lang werden auf der Strecke keine größeren Bauarbeiten mehr erforderlich sein. Die DB hält die Riedbahn im Rahmen vorgeschriebener Intervalle instand. In der Regel können diese notwendigen Arbeiten nachts erledigt werden, so dass es nur zu minimalen Einschränkungen kommt.
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Die Geschichte der Riedbahn
Die Strecke der Riedbahn wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut. Sie verläuft in Südhessen durch das Hessische Ried und in ihrem südlichen Abschnitt in Baden-Württemberg. Seit den späten 1980er-Jahren wurde die Strecke mehrfach ausgebaut und ist in weiten Teilen für Geschwindigkeiten bis 200 km/h zugelassen. Heute gehört die Riedbahn zu den Verbindungen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen in Deutschland. Deshalb hat der Bund eine Neubaustrecke zwischen Frankfurt/Main und Mannheim im Bundesverkehrswegeplan 2030 bestätigt und mit dem Zusatz „vordringlicher Bedarf“ eingestuft. Die Planungen für die Neubaustrecke laufen. Die Inbetriebnahme wird voraussichtlich in den 2030er Jahren erfolgen können.