Geburt in Wagen 28

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Artikel: Geburt in Wagen 28

Die Strecke Paris-Stuttgart fährt Zugchef Mario Bidlingmaier überaus gern. Doch seine jüngste Fahrt wird ihm in besonderer Erinnerung bleiben: In seinem ICE kommt am Sonntag ein kleiner Junge zur Welt. Und er ist als Dolmetscher ganz nah dran. Ein Gespräch mit dem Zugchef über den aufregendsten und schönsten Tag seiner Karriere.

(29. Januar 2023) Eine Stunde nach der Abfahrt in Paris wird Mario Bidlingmaier von einem Herrn in einer Sache angesprochen, die selbst für erfahrene Zugbegleiter eher ungewöhnlich ist. „Der Mann war besorgt, erklärte mir, dass seine schwangere Frau Wehen habe“, berichtet Bidlingmaier. Seine Reaktion: erstmal ein Wasser für die Schwangere. Dann informiert er den Lokführer, bespricht sich mit seinem französischen Kollegen, und fragt über die Sprechanlage, ob unter den Reisenden eine Ärztin oder ein Arzt ist. Immerhin: ein Sanitäter meldet sich.

Zugchef Mario Bidlingmaier

Währenddessen beschließt die französische Verkehrsleitung, den Zug außerplanmäßig am Bahnhof TGV Lorraine anhalten zu lassen. Eigentlich wäre der nächste planmäßige Halt Straßburg im Elsass gewesen. Bidlingmaier informiert die Fahrgäste.

„Auf so einen Fall ist man natürlich nicht vorbereitet, aber meine Kollegen und ich sind sofort sehr ruhig und planvoll vorgegangen.“ Das, so der Zugchef, habe auch an der entspannten schwangeren Frau gelegen. 20 Minuten später erreichte der Zug TGV Lorraine.

„Die Rettungskräfte kamen auch dank zweier Kollegen am Bahnhof, die ihnen den Weg wiesen, schnell zu uns in den richtigen Wagen“, sagt Bidlingmaier, selbst Vater eines vierjährigen Jungen. Einmal angekommen entschieden die Ärzte sofort, dass das Kind an Ort und Stelle entbunden werden solle und nicht im eine halbe Stunde entfernten Krankenhaus in Metz – dafür hätte die Zeit nicht mehr gereicht.

Und auch Zugchef Bidlingmaier blieb auf Wunsch der Familie an der Seite der Schwangeren. Der Grund: die Sprachbarriere. Der 33-Jährige dolmetschte während der Geburt zwischen der deutschen Frau und den französischen Ärzten. Schließlich hatte der Vater seinen Erstgeboren auf dem Schoß, den er beruhigte und Bidlingmaier erklärte – Bürokratie gibt es auch in Frankreich – welche Dokumente die Rettungskräfte brauchten.

„Durch diese Nähe habe ich Dinge gesehen und mitbekommen, die man als Außenstehender in der Regel nicht miterlebt. Als der kleine Junge dann da war, sind mir die Tränen gekommen“, erzählt er immer noch gerührt. Und fügt hinzu: „Es war ein Glück und eine Ehre, bei diesem sehr schönen Ereignis dabei zu sein. Das war definitiv ein Höhepunkt in meinem Arbeitsleben.“

Nach der Geburt gibt Mario Bidlingmaiers französisches Zugchef-Pendant die Geburt des kleinen Félix über Lautsprecher bekannt. Team und Rettungskräfte quittierten die frohe Botschaft mit Applaus. Und auch bei den Reisenden herrschte Freude über die Geburt des Jungen.