Artikel: Platz finden in der kleinsten Lücke
Ferienzeit ist Baustellenzeit. Auf der Strecke Tübingen–Stuttgart klotzt deshalb auch DB Netz-Projektleiter Karl Pietzsch mit seinem Team ordentlich ran. Dort wird die neue Eisenbahnbrücke in Wannweil an ihren künftigen Standort eingeschoben.
(12. August 2023)
Die bisherige Eisenbahnbrücke in Wannweil hatte eine Spannweite von zwei Mal 8,32 Meter und eine Durchfahrtshöhe von 4,6 Meter. Doch mit ihren 119 Jahren alten Widerlagern und den Überbauten aus den Jahren 1904 und 1948 war es höchste Zeit für Ersatz. Schließlich ist das Bauwerk auf der Strecke Tübingen–Stuttgart ein unerlässlicher Mosaikstein, den täglich rund 140 Züge passieren.
Seit dieser Woche ist die alte Eisenbahnbrücke nun Geschichte. Der aus Beton bestehende Überbau ist abgebrochen, das Pendant aus Stahl mithilfe eines Tiefladers abtransportiert – und um die Sperrung so kurz wie möglich zu halten, steht neben der alten Brücke längst der Ersatz: Ein Vollrahmenbauwerk mit 19 Meter Länge, 12 Meter Breite und 7,8 Meter Höhe.
Knifflige 2.300 Tonnen
So klar die Fakten, so knifflig war der Bau der 2.300 Tonnen schweren Betonbrücke. Denn für die neue Eisenbahnüberführung durfte zwischen Bahndamm und Straße nicht das kleinste bisschen Platz verschwendet werden. Jede Lücke wurde deshalb für Baumaterial, Maschinen und Absperrungen genutzt.
Wenn das Bauwerk in seiner Endposition steht, wird das Füllmaterial per Zug angeliefert. Zudem werden bis zur Inbetriebnahme am 6. September noch das Schotterbett und Gleise eingebaut sowie die Oberleitung installiert. Anschließend folgen bis zum Ende des Jahres die Arbeiten für die Gas-, Strom-, Trinkwasser- und Abwasserleitungen sowie die Wiederherstellung der zweiten Straßenfahrspur und Stützwandarbeiten im Gehwegbereich.
Faszination Planung
Für das Vorhaben ist der aus Dresden stammende Projektleiter Karl Pietzsch verantwortlich. Für ihn hat jede Baumaßnahme ihren Reiz. Nach dem Ingenieursstudium war der 35-Jährige zunächst im Hochbau tätig, baute Lebensmittelmärkte und Geschäftshäuser. Doch dabei sollte es nicht bleiben: „Ich wollte nicht mein Leben lang Bauleiter sein.“ Vielmehr faszinierte ihn die Planung. Der Wechsel zu DB Projektbau in Stuttgart, eine Zwischenstation bei DB Engineering & Consulting sowie der Sprung zu DB Netz waren logische Konsequenz.
„Man sieht, wie Projekte entstehen und Realität werden“, erklärt Pietzsch die Faszination seiner Arbeit – auch wenn von der ersten Idee bis zum Bau zehn Jahre vergehen könnten. Stillstand gibt es dennoch weder auf seinen Baustellen noch für den Ingenieur persönlich: „Man will sich immer weiterentwickeln und Bauwerke schaffen, die wieder 100 Jahre Bestand haben.“
Für Karl Pietzsch ist die neue Eisenbahnbrücke in Wannweil nicht das einzige Projekt. Meist betreut er fünf bis sechs Vorhaben gleichzeitig. „Um Hektik zu vermeiden, muss man aber Prioritäten setzen“, sagt der Ingenieur. Wobei er sich den meisten Druck selbst mache. „Doch ohne ein gewisses Maß an Anstrengung geht es eben nicht.“