Artikel: Miriam Puls: „Ich mag komplexe Herausforderungen“
Wenn Miriam Puls über „ihr“ Projekt, über „ihre“ Baustelle spricht, spürt man sofort, wie verbunden sie damit ist. Egal, ob es um technische Details oder die Zusammenarbeit mit Projektbeteiligten geht. Miriam Puls ist Projektingenieurin für den Tunnel Rastatt im Projekt Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel der Deutschen Bahn. Ihr spezielles Einsatzgebiet ist dabei die Wiederherstellung der Oströhre des Tunnels. „Ich mag solche komplexen Herausforderungen“, sagt sie. Und die Oströhre hat einige davon zu bieten.
(1. Februar 2023)
Auftrag: Oströhre wiederherstellen
Zum Hintergrund: Mitte August 2017 senkten sich während des Tunnelvortriebs in der Oströhre die Gleise der über der Baustelle liegenden Rheintalbahn. Das machte eine mehrwöchige Sperrung der Strecke für den gesamten Zugverkehr notwendig. Bis dahin hatte die Tunnelbohrmaschine in der Oströhre bereits 3.775 Meter zurückgelegt. Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Tunnel Rastatt erarbeitete die Bahn dann ein umfangreiches Konzept für den Weiterbau des Tunnels Rastatt. Ein Punkt dieses Konzeptes betrifft das Wiederherstellen der Oströhre in offener Bauweise, also von oben. Der Tunnel im beschädigten Bereich war zunächst auf 160 Meter Länge mit Beton verfüllt worden. Nun wird eine Baugrube hergestellt, innerhalb der die einbetonierte Tunnelmaschine geborgen und der neue Tunnel errichtet wird. Ziel: Im Sommer 2023 soll die 200 Meter lange, 17 Meter breite und 16 Meter tiefe Baugrubenumschließung für die neue Oströhre fertig sein. Miriam Puls: „Der Zeitplan ist eng, aber gemeinsam schaffen wir das.“
Den richtigen Ton treffen
Mittendrin in diesem Teilprojekt ist Miriam Puls. „Als Projektingenieurin bin ich hier im ständigen Kontakt und Austausch mit den Fachgutachtern, Sachverständigen und natürlich den Baufirmen. Es geht darum, viele Menschen und deren Belange unter einen Hut zu bekommen. Die Themen reichen dabei von Tunnelbau über Spezialtiefbau bis hin zum Baugrund. Da das Projekt sehr komplex ist, muss ich einen guten Überblick behalten und mich gut organisieren können. Zum Glück bekomme ich viel Unterstützung durch mein Team“, sagt die 34-Jährige, die in Backnang aufgewachsen ist. Jeden Tag, so die Ingenieurin, käme ein neues Thema auf den Tisch. Spannend fände sie deshalb auch das Zusammenspiel von strategischem Vorgehen, taktischem Denkvermögen und Empathieverständnis. Das sieht sie auch als eine ihrer Stärken: „Ich erkenne schnell, wo anderen der Schuh drückt und weiß, welchen Ton ich treffen muss, um eine Lösung zwischen allen Beteiligten herbeizuführen.“
Mindestens einmal pro Woche versucht sie deshalb auch draußen auf der Baustelle zu sein. Und bei speziellen Anlässen fährt sie auch nachts um drei Uhr raus, um mit den Kolleg:innen vor Ort und dabei zu sein. „Ich finde es großartig, ein solch wichtiges Bauprojekt quasi direkt vor meiner Haustür begleiten zu können“, sagt Miriam Puls, die in der Nähe von Karlsruhe lebt. Dass sie als Frau auf der Baustelle noch immer mit vielen Männern zusammenarbeitet, ist kein Thema für sie: „Ich habe noch nie solche Kommentare bekommen. Vielleicht liegt es einfach auch daran, dass die Männer grundsätzlich offener geworden sind.“ Für solche Befindlichkeiten sei auf der Baustelle auch kein Platz, schließt sie das Thema ab.
Der Duft von frischem Beton
Wie kam Miriam Puls dazu, sich für komplexe Ingenieurbauten zu begeistern? Spaß an der Mathematik und eine Faszination für Technik und große Maschinen aller Art – das bezeichnet Miriam Puls selbst als die wesentlichen Beweggründe dafür, beruflich in Richtung Bauingenieurwesen gegangen zu sein.
Folgerichtig studierte sie dann von 2007 bis 2013 an der Universität Karlsruhe und schloss erfolgreich als Diplom-Bauingenieurin ab. In diesen Jahren erfolgte unter anderem ein Praxissemester bei der Firma Züblin, die für ein Pumpspeicherkraftwerk in Vianden (Luxemburg) so genannte Kavernen (Bergstollen für Turbinen und Generatoren) in den Fels sprengte. Hier war Miriam Puls live dabei und hat sogar ihren Sprengschein gemacht. Und noch eine Erfahrung ist seitdem bei ihr präsent: „Ich liebe den Duft von frischem Beton.“
Nach dem Studium arbeitete sie fünf Jahre in einem geotechnischen Ingenieurbüro, hatte hier viel mit Tunnelsanierungen und Hangsicherungen zu tun. 2018 bewarb sich Miriam Puls schließlich initiativ bei der DB für die Mitarbeit am Tunnel Rastatt. „Die Bahn hat mich schon immer fasziniert. Ich fahre auch selbst sehr gern mit der Bahn und versuche möglichst ökologisch zu leben. Und deshalb arbeite ich heute gern in einem Unternehmen, das so nachhaltig unterwegs ist.“
Den Kopf frei bekommen
Ausgleich von den tagtäglichen Projekt-Herausforderungen verschafft sich Miriam Puls auf verschiedene Art und Weise: Neben täglichen Yoga-Übungen hat die alleinerziehende Mutter zweier Töchter im Grundschulalter den Ausdauersport für sich entdeckt. Mit dem Rad zum Beispiel hat sie schon einmal Deutschland durchquert – vom Bodensee nach Flensburg. Und sie versucht jeden Morgen zu laufen. „Das macht den Kopf frei und ich kann so sehr bewusst die herrliche Natur wahrnehmen“, sagt sie.
Mittlerweile – und da sind wir wieder einmal beim Thema Herausforderung – hat sie Trailrunning als neue Leidenschaft für sich entdeckt. Dabei handelt es sich um das Laufen in der freien Natur auf eher unbefestigtem Terrain. An einem Berglauf in den Dolomiten hat sie bereits teilgenommen und weitere sollen folgen. Ihr Traum ist es, irgendwann an einem 100-Kilometer-Lauf in den Alpen teilzunehmen.
Tunnel Rastatt - Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel (karlsruhe-basel.de)